Solidarität ist kein Antisemitismus! – Erklärung zum Vortrag von Jakob Reimann

Im Rahmen des Kulturprogramms zum Friedensfest in Augsburg organisierte die Augsburger Friedensinitiative zusammen mit der VVN, Deutsche Friedensgesellschaft Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und pax christi Augsburg einen Vortrag mit dem linken Journalisten Jakob Reimann. In ihrer Ankündigung schreibt die AFI: „Der Referent Jakob Reimann hat nach seinem Masterabschluss 2014 an der An-Najah University in Nablus, Palästina, gearbeitet und lebte im Anschluss als freier Journalist und Autor längere Zeit in Israel. Er arbeitet er für verschiedene linke Medien zu Fragen um Krieg und Frieden im Großraum Nordafrika und West-/Zentralasien sowie zu antikolonialen, ökologischen und Frauenrechtskämpfen im Globalen Süden.“ Reimann, der unter anderem für die Rosa-Luxemburg-Stiftung, junge Welt (jW) und weitere linke Medien schreibt, sollte am 25. Juli einen Vortrag zum Thema »Rechtsruck in Israel: Gibt es noch Chancen für den Friedensprozess?« halten. Nach der Hetzkampagne zionistischer Lobbyorganisationen, auf die lokale und überregionale Medien mit tendenziösen und diffamierenden Artikeln aufstiegen, verschoben die Organisatoren den Vortrag und die Stadt nahm ihn aus dem Programm. Die AFI veröffentlichte eine Erklärung, in der sie ihre Entscheidung erklären und sich hinter Jakob Reimann stellen.

Zum Geschehen schrieb Annuschka Eckhardt in der jungen Welt:

Zunächst berichtete das Onlinemedium Die Augsburger Zeitung (DAZ) am Montag über das geplante Event, bezeichnete den Journalisten als »Gastredner mit antisemitischen Verschwörungstheorien«, unterstellte ihm Mitgliedschaft in der BDS-Bewegung und betitelte dies als »Ausdruck des linken Antisemitismus«. Auf diesen Zug sprangen die Zeitungen Augsburger Allgemeine und Jüdische Allgemeine auf. Dort wird Volker Beck, der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), zitiert: »Jakob Reimann ist in den sozialen Netzwerken für seine obsessive Hetze gegen Israel berüchtigt«, sagte Beck der Jüdischen Allgemeinen.

Die Diffamierung zeigte Wirkung: »Generell betonen wir, dass sich die Stadt Augsburg ausdrücklich von Antisemitismus und Rassismus distanziert und sich gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ausspricht, da sich dies nicht mit dem Selbstverständnis von Augsburg als Friedensstadt vereinbaren lässt«, teilte die Stadt in einer Presseerklärung vom Mittwoch abend mit.

Was die Artikel der JA, AZ, DAZ etc. eint, ist zum einen mangelnde Recherche und Auseinandersetzung mit der Person Reimann und dem Vortrag, sowie das Herbeibeschwören eines aufkommenden linken Antisemitismus, welcher Israel dämonisiere.  Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Schwaben-Augsburg lastet Reimann „extremistische Ideologie“, „antisemitische Ansichten“, „Hassrede“ und „extremistische Propaganda“ an. Bestärkt wurde die Welle der Diffamierung vom Zentralrat der Juden, der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft und sogar dem israelischen Generalkonsulat. Reimann wird hierbei ständig in die Nähe der BDS-Bewegung gerückt, soll sogar Teil von ihr sein. Weder ist die Boycott, Divestment and Sanctions (BDS)-Kampagne Thema des Vortrags, noch ist der Referent „Sympathisant, Unterstützer oder ein Mitglied“ dieser Bewegung. Einige Falschaussagen, die die Augsburger Allgemeine vor Wut abspickte, zwang sie dazu zurückzurudern. Auch wenn die AZ oder DAZ nie für Qualitätsjournalismus bekannt waren, werden hier alle journalisitischen Standards aufgegeben.

In einer Erklärung antwortet Jakob Reimann auf sämtliche Vorwürfe, die vor allem von Joshua Schultheis in der Jüdischen Allgemeinen erhoben wurden, weswegen wir diesbezüglich nicht allzuviel ergänzen werden. Wir hoffen, dass der Vortrag möglichst bald nachgeholt wird, und freuen uns darauf ihn zu hören.

Der Vorfall reiht sich damit in eine lange Historie der Lobbyarbeit gegen Palästina-Solidarität in Augsburg. In den vergangenen Jahren wurde bzw. wird linke Solidaritätsarbeit in Augsburg versucht durch öffentlichen Druck, Diffamierungskampagnen und Zusammenarbeit mit Repressionsbehörden im Keim zu ersticken. So unterzeichneten nach einer Erinnerung an die Nakba das Junge Forum der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft und Jugendgruppen bürgerlicher Parteien eine Erklärung, in der sie andere Gruppen dazu aufriefen, keine Kooperation mit der Antifaschistischen Jugend Augsburg einzugehen. Weiterhin wurden Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Faschismus torpediert, Aktvist*innen und Gruppen wurden angezeigt und damals schon versuchte man Veranstaltungen zu verhindern. Auch innerhalb der linken Bewegung kam es zu Auseinandersetzungen zwischen internationalistischen und zionistischen Gruppen, wodurch linke Arbeit gezielt gelähmt wurde. Folgen dieser Kampagnen waren auch damals Repression, erschwerte Bedingungen für linke Politik und Verunglimpfung internationalistischer Stimmen.

Vor einigen Wochen sorgte erst ein Interview mit Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) bei Jung & naiv für Aufruhr. Kurze Zeit nach der Veröffentlichung wurden Tilo Jung und Muriel Asseburg von unzähligen Medien, Organisationen und obigen Konsorten angegriffen. Dabei verglich sie lediglich unter Berücksichtigung des Völkerrechts die Besatzung in Palästina, mit der Besatzung in der Ukraine. Bei der Deutschen Welle gab es Anfang 2022 eine Säuberung, bei der mehrere Mitarbeiter:innen ihren Job nach inquisitionsartigen Befragungen zum Thema Israel-Palästina verloren. Und nicht zuletzt die Entlassung von Kika-Moderator Matondo Castlo aufgrund seiner Teilnahme am linken Farkha-Festival in Palästina. Was hier bezweckt wird ist offensichtlich. Kritik am israelischen Staat, oder auch nur ein öffentlicher Diskurs, der von der deutschen Staatsräson abweicht, soll unmöglich gemacht werden. Betroffen von diesem Druck sind nicht nur Wissenschaftler*innen, Friedensaktivist*innen oder Linke. Am härtesten betroffen ist die palästinensische Bevölkerung in Deutschland. Die BDS-Resolution des Bundestages, das Verbot palästinensischer Demonstrationen und Verbotsverfahren gegen palästinensische Vereine zeigen deutlich, wie in der BRD die Palästina-Frage behandelt wird. Dieses Jahr wurden sämtliche palästinensische Demonstrationen in Berlin pauschal und präventiv verboten. Wenn jüdische und palästinensische Gruppen trotzdem gemeinsam für eine gerechte Perspektive in Palästina/Israel demonstrieren müssen sie mit massiver Polizeigewalt rechnen. Wie auch vergangenes Jahr wurden dieses Jahr palästinensische Demonstrationen von der Polzei brutal angegriffen.

Die Repression gegen Palästinenser*innen in der BRD ist so alt wie die deutsche Unterstützung Israels. Seit mehr als 70 Jahren ist die BRD Mittäter israelischer Verbrechen und deutsche Konzerne profitieren durch die israelische Besatzungs- und Kriegspolitik. Linke Gruppen dürfen sich nicht scheuen aus Angst oder Gemütlichkeit eine klare Positionierung gegen den israelischen Staat und antipalästinensiche Politik in der BRD zu äußern. Der Hauptfeind steht im eigenen Land, er mordet aber auch über deutsche Grenzen hinaus. Wir interessieren uns nicht was Springer, die Amadeu Antiono Stiftung oder die Regierung sagen. Wir stehen an der Seite der kämpfenden Bevölkerung in Palästina, an der Seite der Jugend in Israel, die den Militärdienst verweigert und gegen ihre rechte Regierung auf die Straße geht.

Solidarität mit Jakob Reimann und den Organisatoren!

Freiheit für Palästina!

Anmerkung: Ursprünglich schrieben wir, dass die Veranstaltung im Rahmen der Augsburger Friedenswochen stattfinden sollte. Diese finden allerdings im November statt. Bei der Veranstaltungsreihe handelt es sich um das Kulturprogramm zum Friedensfest 23. Die Veranstaltungen zum Kulturprogramm zum Friedensfest werden von den Veranstaltern organisiert, das Friedensbüro der Stadt Augsburg setzt die Ankündigungen der Veranstaltungen in das Programmheft zum Friedenfest. Der AFI als Veranstalter werden die unberechtigten Vorwürfe BDS-Aktivismus und linker Antisemitismus gemacht und der Stadt wird vorgeworfen, diese Veranstaltung in das Programm des Friedensfestes aufgenommen zu haben.